Roger Stein
Es gibt Orte, die erst im richtigen Licht zu leuchten beginnen – und manchmal ist dieses Licht ein Lied.
In seinem neuen Programm «Ist es nicht schön hier» verwandelt Roger Stein das Alltägliche in Poesie. Er hält die Lupe auf das vermeintlich Banale und entdeckt darin ganze Universen. Selbst die Warteschlange beim Amt wird bei ihm zur philosophischen Betrachtung darüber, wie wichtig Nummern in
unserer Gesellschaft sind – über Geduld und Menschlichkeit.
Stein zeichnet keine glatten Helden, sondern schillernde Figuren – mit all ihren Brüchen, Widersprüchen und zarten Sehnsüchten. Im „Lobbyisten-Tango“ zum Beispiel tanzt die Macht mit der Moral, doch statt Fingerzeig gibt es Zwinkern, statt Zynismus – Empathie.
Roger Stein spielt auf der Klaviatur der Ambiguität und findet selbst im kühlsten Charakter noch einen Rest von Wärme.
Ein Panoptikum der Gegenwart entfaltet sich in diesen Liedern: Freundschaft, Fachkräftemangel, Überlebenskünstler und Selbst-Survivalisten teilen sich die Bühne, begegnen einander, geraten aneinander – und bleiben doch alle Teil derselben, manchmal schrägen, manchmal wunderschönen Welt, mit reimgeladener Sprache poetisch eingefangen.
Musikalisch gelingt Stein dieses Universum auf Händen mit und ohne Band am Flügel. Auf der Platte und auch live verleihen Simon Froschauer (Drums, Percussion) und Ferdinand Roscher (Bass) den Songs einen feurig-frischen Uptempo-Punch – irgendwo zwischen Rockabilly und Folk doch mit einem Bein fest verankert in der großen Tradition des deutschsprachigen Liedermachens. Ein Klang zwischen Asphaltstaub und Abendrot, zwischen Tanzsaal und Tresen, zwischen Ironie und Innigkeit.
«Ist es nicht schön hier» ist mehr als ein Albumtitel – es ist eine Einladung, den Blick zu heben, die Perspektive zu kippen, das Schöne im Schiefen zu suchen.
Roger Stein zeigt: Schönheit ist kein Ort.
Sie ist ein Moment, der bemerkt wird.
Seine künstlerische Heimat hat Roger Stein mit seinen Liedern längst auf dem Plattenlabel von Konstantin Wecker gefunden, auf dem er seit 2013 seine Alben veröffentlicht. Die Frage und der Zweifel ziehen als zentrales Thema durchs Programm. Und so fragt sich der schalkhafte Songpoet: Ist die Wirklichkeit, in der wir leben, tatsächlich die einzige Wahl? Ist man selbst Eigentümer eigener Parallelwelten? Und ist der Zufall überhaupt denkbar, ohne eine von uns Menschen konstruierte Logik?
Foto: Martina Riedler

