Archive: Rainer Bielfeldt
Live-Stream aus der ufaFabrik
"Wir haben zwei Leben. Und das zweite beginnt, wenn uns klar wird: Wir haben nur eins."
Seit einigen Monaten nutzt Rainer Bielfeldt den Hashtag "#rainersingtwieder", wenn er in den sozialen Medien Meldungen postet. Wobei das missverständlich ist: Er hat nie aufgehört zu singen. Aber mit seinem 2017 erschienenen Album "Die Erinnerung von morgen" hatte er sich satte elf Jahre Zeit gelassen. "So lange will ich nie wieder Solo-Pause machen", sagt er heute. Er sagt es nicht nur – er handelt auch danach. Das Programm "Zwei Leben" (Regie: Edda Schnittgard, "Queen Bee") startet im Sommer 2019. Veröffentlichung des gleichnamigen Albums inklusive. Wird dieser Zwei-Jahres-Turnus damit ab sofort zur Regel? "Wir werden sehen", schmunzelt er, "im Moment fühle ich mich wohl damit. Der Weg macht mich glücklich."
Ach ja, das Glück. Scheint als hätte er es gefunden. Davon handelt auch der Album-Titel. Auf den Spruch mit den „zwei Leben“ stieß Bielfeldt beim Surfen im Internet. Wo er herkommt, weiß keiner. Im Netz wird er wahlweise Konfuzius, dem brasilianischen Dichter Mario de Andrade oder dem britischen Schauspieler Tom Hiddleston zugeschrieben. "Vielleicht stammt der Satz aber auch einfach aus einem sehr gut gemachten Glückskeks", sagt Bielfeldt, "die Erkenntnis darin ist jedenfalls wahr und wahrhaftig." Und so nimmt uns der Sänger mit auf einen ausgedehnten Streifzug durch die Höhen und Tiefen, die großen Wunder und die kleinen Ernüchterungen und die vielen liebenswerten und manchmal tragikomischen Momente seines zweiten, seines einzigen Lebens: Er besingt die oft nervenzehrende, aber dennoch geliebte Familienbande ("Die Hölle, die mich wärmt"); er feiert in "Viel zu selten allein" die gelegentliche Distanz, die die Liebe atmen lässt ("Wir würden wieder lernen uns zu sehnen und neu erfahren, wie man sich vermisst..."); er lenkt den Blick über den "Horizont" hinaus, der eben nicht "das Ende der Welt" ist, sondern eher der Anfang von etwas Neuem. Das portugiesisch-deutsche Lied „Inesperadamente (Unerwartet)“ widmet er seinem brasilianischen Mann Tiago und dem gemeinsamen, kurvenreichen Weg. Und schließlich gibt er mit "Insel namens Abendland" auch ein Statement ab, das authentisch und zeigefingerfrei daherkommt, aber dennoch unmissverständlichen Bezug nimmt auf das gesellschaftliche Zeitgeschehen und den spürbaren Rechtsruck in diesem Land.
Auch das ist Teil des zweiten, des einzigen Lebens: eine Haltung. Die von Rainer Bielfeldt ist nie destruktiv, und nie macht er es sich zu einfach. Aber für Überraschungen ist er gut: Würden andere Sänger ein Lied mit der Zeile "Pflanz Lavendel auf mein Grab" betiteln, dann sängen sie wahrscheinlich über den Tod. Bielfeldt hingegen singt übers Leben:
Doch vorher lass uns den Verstand verlieren
im Höhen- und im Tiefenrausch der Welt
und in Venedig auf dem Markusplatz campieren
und unsre Falten zählen, bei keiner Dummheit fehlen,
von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.
Lavendel ist übermorgen, heute ist Leben. Zwei Leben. #rainersingtwieder. Famos!